Am ersten Tag standen die Chancen und Grenzen von Suffizienzpolitik für Klima- und Ressourcenschutz sowie soziale Gerechtigkeit im Fokus. Abgerundet wurde der erste Tag durch eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion, in der Vertreter*innen aus Wissenschaft und Politkberatung über einen Impuls zur Entwicklung einer Suffizienzstrategie für Deutschland, welche von der Nachwuchsgruppe veröffentlicht wurde, diskutierten. Am zweiten Tag wurden insbesondere methodische Ansätze zur Modellierung von Suffizienz und Ergebnisse von Suffizienzszenarien für Deutschland und Europa diskutiert.
In grundlegenden Punkten bestand Einigkeit zwischen vielen Teilnehmenden: Suffizienz sei notwendig, um die Klimaziele zu erreichen. Die große Mehrheit der Teilnehmenden war der Meinung, dass für die Umsetzung von Suffizienz die politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen geändert werden müssten. Suffizienz, das wurde in der Diskussion deutlich, ist eine facettenreiche Strategie, die unter vielfältigen Namen firmiert. Während bei „Wohnflächenoptimierung“ die ökologischen Motive nicht im Zentrum stehen, sondern eher Fragen des demografischen Wandels adressiert werden, wird die Strategie „Sobriété“ in Frankreich mit dem Ziel der Energie- und Ressourceneinsparung proklamiert. Die Strategie kann ganz unterschiedlich umgesetzt werden, in Frankreich allerdings vor allem in Form öffentlicher Appelle und Kampagnen.
Die Diskussion zeigte jedoch, dass Information und Beratung zu suffizienterem Verhalten als alleinige Ansätze an Grenzen stoßen, da die Umsetzung in bestehenden politischen und infrastrukturellen Rahmenbedingungen häufig schwer ist. Suffizienz ist daher ein politisches Handlungsfeld und kann durch eine Vielzahl von Preisinstrumenten, ökonomische Anreize und Ordnungspolitik instrumentiert werden – häufig geht es auch zunächst um den Abbau und die Abänderung bestehender Regelungen. An Ideen und Potenzialen mangelt es nicht, wie die Suffizienz-Politik-Datenbank und die Potenzial-Datenbank der Nachwuchsgruppe verdeutlichen. Vor- und Nachteile sowie praktische Erfahrungen wurden von Wissenschaftler*innen und Praktiker*innen vorgetragen und diskutiert. Auch wenn fast alle Entwicklungstrends noch in die falsche Richtung weisen, z. B. indem die Wohnfläche pro Kopf und der PKW-Bestand wachsen, gibt es bereits viele gute Beispiele und Wissen rund um Suffizienz.
Unterschiedliche Meinungen gab es zu Partizipationsformaten: Eine professionelle Moderation sei wichtig, um stark polarisierte Diskussionen in produktive Bahnen zu lenken. Eine rationale und ideale Sprechsituation, wie sie in moderierten Bürger*innen-Räten angestrebt wird, gibt es jedoch nur selten. In diesen spezifischen Mini-Öffentlichkeiten werden regulative Suffizienzmaßnahmen durchaus häufig gefordert. An der Wahlurne und in anderen Beteiligungsformaten sieht dies jedoch häufig anders aus. Nichtsdestotrotz können diese Forderungen der Bürger*innenräte und die Untersuchungen zu gelungenen Beispielen tiefgreifender Suffizienzpolitik Wege aufzeigen, wie Mehrheiten für Suffizienzpolitik gewonnen und diese umgesetzt werden kann.
Da Szenarien ein machtvolles Instrument für Politikberatung sind, beschäftigte sich der zweite Tag mit Suffizienzmodellierung. Suffizienz kann den Lösungsraum in Energiemodellen und -szenarien erweitern. Bisher schreiben viele große Szenario-Studien gesellschaftliche Trends fort und erreichen eine Dekarbonisierung der Energienachfrage durch verschiedene Optionen auf der Angebotsseite, vor allem erneuerbare Energien, erneuerbare Importe und CCS/CCU.
Suffizienzszenarien, wie z. B. CLEVER, ESYS-Szenarien für ein klimaneutrales Deutschland und die EnSu-Szenarien, die teilweise auf EnSu-Forschung aufbauen bzw. Erkenntnisse daraus nutzen, drehen diese Denkweise um. Sie gehen von der Nachfrage zum Angebot und betrachten Suffizienz als Gegenstand politischer Gestaltung. Dementsprechend folgen Suffizienzszenarien häufig dem Ansatz „Sufficiency first“, für den u. a. die französische NGO négaWatt plädiert. Dies bedeutet, dass Suffizienz als prioritäre Nachhaltigkeitsstrategie in die Entwicklung ganzheitlicher Nachhaltigkeitsstrategien und Szenarien einbezogen werden soll, also zunächst die Frage, wie viel von was für wen genug ist, bevor dieses Maß an Konsum- und Produktion mithilfe der stärker technischen Nachhaltigkeitsstrategien von Konsistenz und Effizienz möglichst nachhaltig bereitgestellt wird.
Wir, die Mitglieder der Nachwuchsgruppe EnSu, freuen uns sehr über die rege Teilnahme, die interessanten Diskussionen und das stetig wachsende Suffizienznetzwerk. Die Arbeit wird fortgesetzt, unter anderem in Form der Erweiterung der Politik-Datenbank, der tieferen Analyse von Potenzialen und Strategien in einzelnen Verbrauchssektoren – und der weiteren Integration von Suffizienz in Szenario-Analysen.
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