Empfehlungen für Modellierende

Datenbank: Einsparpotenziale

Im Rahmen des EnSu-Projekts wurde eine open-source Datenbank für quantifizierte Energieeinspar- und Treibhausgasminderungspotenziale erstellt, die Suffizienzmaßnahmen in allen Produktions- und Konsumsektoren Deutschlands systematisch erfasst. Die Datengrundlage stellt ein systematisches Literaturreview dar. Ausgangspunkt war der Begriff „Energiesuffizienz“, ergänzt durch themenverwandte Schlagworte und Umschreibungen. Die Schlagwortsuche wurde auf Deutsch und Englisch durchgeführt. Zusätzlich wurde die Datengrundlage durch den Autor:innen bekannte Fachquellen erweitert sowie Zulieferungen unter anderem aus dem einschlägigen deutschen Suffizienz-Netzwerk. 

Ergebnisse & Empfehlungen

Alle identifizierten Potenziale –  insgesamt 303 Potenziale aus 47 Literaturquellen – wurden in der Sufficiency Potential Database strukturiert aufbereitet, zum Beispiel wurde zu allen Einträgen die Art des Potenzials (z.B. theoretisch oder realisiert) recherchiert – mehr dazu in der Aufzählung unten. 

 

Die folgende Grafik zeigt exemplarisch Ergebnisse für Energieeinsparpotenziale des Gebäudesektors. 

Abbildung 1: Energieeinsparpotenziale im Gebäudesektor. Zu den Merkmalen aller Potenziale gehören die territoriale Berechnungsmethode und der Potenzialtyp: theoretisch. Die Daten zum Endenergiebedarf (rechte Achse) für das Jahr 2022 basieren auf AGEB (2022). Quelle: Zell-Ziegler et al. (im Review)

Die Analyse der Literatur zeigt drei zentrale Ergebnisse: (1) Die höchsten Einsparpotenziale wurden sowohl für Energie als auch für Treibhausgasemissionen (THG) bei Maßnahmen zur Reduktion der Wohnfläche pro Kopf identifiziert. Im Fall der THG-Emissionen wurden diese Werte zusätzlich durch eine Absenkung der Heiztemperatur erreicht. Diese Maßnahmen erreichen Potenziale von bis zu 150 TWh/a bzw. 118 Mt CO2-Äq./a. (2) Die meisten quantifizierten Maßnahmen stammen aus dem Gebäudesektor, insbesondere im Bereich “Haushaltsgeräte”. (3) Die Datenlage ist sehr heterogen. Unterschiede im Basisjahr, Betrachtungszeitraum, in den Berechnungsansätzen sowie in zugrunde gelegten Annahmen erschweren eine direkte Vergleichbarkeit der Ergebnisse. 

Für die Integration von einzelnen Potenzialabschätzungen in Szenarien und Modellierungen ist es hilfreich, zu jedem Potenzial diese zugrunde liegenden Annahmen transparent zur Verfügung zu stellen. Die wichtigsten aus unserer Sicht sind: 

  • Art der Einsparberechnung (jährlich oder kumuliert)
  • Bezugsjahre und betrachteter Zeithorizont
  • Bezug zu einem Referenzszenario (ja/nein)
  • Art des Potenzials (z.B. theoretisch oder realisiert)
  • regionale oder nationale Gültigkeit
  • Qualität und Quelle der Daten (umgesetzte oder vorgeschlagenen Maßnahmen; simuliert oder geschätzt)
  • Berechnungsansatz (territorial oder konsumbezogen)

 

Die Datenbank bietet eine fundierte Grundlage für wissenschaftliche Analysen, Modellierungen sowie die Entwicklung suffizienzorientierter Politikinstrumente und ist offen für Erweiterungen.


Der im Peer-Review befindliche Forschungsartikel befindet sich noch in der Begutachtung (Manuskript erhältlich bei c.zell-ziegler@oeko.de). Darin wird unter anderem beschrieben, welche konkreten Datenlücken identifiziert wurden. Dazu lohnt sich mehr Modellierung. In jedem Fall ist es wünschenswert, mehr Evaluationen von bereits existierenden Suffizienzmaßnahmen durchzuführen und diese Daten zu nutzen.

Machbarkeitsanalyse / Wirkketten

Im Rahmen dieser Analyse wurden Politikinstrumente im Verkehrssektor aus der EnSu Suffizienz-Politik-Datenbank systematisch hinsichtlich ihrer Machbarkeit ausgewertet. Dabei wurde nach politischen Zielsetzungen (Improve public transport and multi-modality, Promotion of active modes, Reduce air transport, Reduce motorised individual transport, Reduce trips: local supply, Reduce trips: work) sowie nach Instrumententypen (ökonomisch, fiskalisch und regulatorisch) kategorisiert. Im Fokus stand dabei, wie konkrete (vorgeschlagene) Maßnahmen vom politischen Impuls bis hin zur Wirkung auf Umwelt und Gesellschaft wirken. Diese Wirkweise wurde mittels des Konzepts der Impact Chains untersucht, das Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge strukturiert abbildet. Ein besonderer Fokus wurde auf unterstützende und hemmende Faktoren gelegt. 

Die Bewertung erfolgte mittels eines aufwendigen Prozesses aus Literaturrecherche und Expert:innen-Gesprächen und basiert auf mehreren Überarbeitungsschleifen. 

 

Ergebnisse & Empfehlungen

Die folgende Abbildung stellt exemplarisch die Ergebnisse für die unterstützenden Faktoren sowie Hemmnisse und Risiken für die analysierten politischen Zielsetzungen dar. Eine detaillierte Beschreibung der Methode und ihrer Anwendung sowie der Ergebnisse findet sich im dazu veröffentlichten Fachartikel

Abbildung 1: Gewichtete Summe der unterstützenden Faktoren sowie der Hemmnisse und Risiken für alle analysierten Politikinstrumente, nach politischem Ziel (Farbe der Punkte); Quelle: Thema, Zell-Ziegler & Dünzen (2025).

Hinweis: Die Zahlen geben die IDs in der EnSu Suffizienz-Politik-Datenbank an. * = wenige Faktoren, ** = mittlere Anzahl von Faktoren, *** = viele Faktoren. 

 

Die Analyse von 83 Wirkketten suffizienzorientierter Politikmaßnahmen im Verkehrsbereich zeigt drei zentrale Erkenntnisse für die Modellierungspraxis: (1) Maßnahmen mit mehreren unterstützenden Faktoren weisen häufig zeitgleich viele Hemmnisse und Risiken auf. Das betrifft insbesondere breiter angelegte Politikmaßnahmen mit diversen Wirkebenen. (2) Politikinstrumente mit den Zielen “promotion of active modes” und „reduction of motorized individual transport” sind vergleichsweise risikoarm, da sie in der Regel weniger ressourcen- und kostenintensiv sind. (3) Die Machbarkeit variiert deutlich nach Instrumententyp: Regulierungsinstrumente zeigen überraschend geringe Risiken, ähnlich viele Hemmnisse wie ökonomische Instrumente und eine vergleichbare Zahl an unterstützenden Faktoren wie fiskalische Maßnahmen. 

Für Modellierende bietet die speziell auf Suffizienz angepasste Wirkkettenmethode einen strukturierten Zugang zur Bewertung der Machbarkeit und Wirkung politischer Maßnahmen. Sie berücksichtigt neben direkten Effekten auch systematische Voraussetzungen und Kontextfaktoren und eignet sich damit als Ergänzung zu quantitativen Modellen. Die Entwicklung der Methode wurde in Zell-Ziegler & Thema (2022) ausführlich beschrieben. Dort finden sich auch erste Anwendungsbeispiele. 

 

Zur eigenen Anwendung steht ein ausfüllbares Template zur Verfügung. Die bereits bewerteten Politikinstrumente sind ebenfalls im Excel-Format verfügbar und können angepasst werden (Link). 

Suffizienz-orientierte Szenarien: Entwicklung im Dreischritt

Die von der EnSu-Forschungsgruppe entwickelten Energiewende-Szenarien für Deutschland folgen einem methodischen Dreischritt. Den Ausgangspunkt bildet die interdisziplinäre Methode sozio-technischer Szenarioentwicklung, um konsistente und plausible narrative Kontexte für mögliche gesellschaftliche Zukünfte zu formulieren. Diese qualitativen Kontextszenarien werden anschließend im zweiten Schritt in das Simulationsmodell 2050 Pathways Explorer (PWE) überführt, um THG-Neutralitäts-Szenarien zu entwickeln. Die daraus abgeleiteten quantitativen Ergebnisse dienen schließlich im dritten Schritt als Input für das energiewirtschaftliche Optimierungsmodell PyPSA-Eur, um Auswirkungen auf das Energiesystem zu analysieren. 

Die folgende Abbildung stellt diese Methoden-Kette dar:

Ein zugehöriger Fachartikel befindet sich noch in der Begutachtung (Manuskript erhältlich bei frauke.wiese@uni-flensburg.de).

Entwicklung narrativer Szenarien

Die Entwicklung der Kontextszenarien folgt dem methodischen Ansatz sozio-technischer Szenarien nach Weimer-Jehle et al. (2016) und wurde in vier aufeinander aufbauenden Schritten umgesetzt, um konsistente Zukunftsbilder für eine klimaneutrale Entwicklung in Deutschland zu erstellen. 

Im ersten Schritt wurden zentrale Einflussfaktoren (sogenannte Deskriptoren) identifiziert, die direkt oder indirekt maßgeblich auf das Energiesystem wirken. Im zweiten Schritt wurden für jeden Deskriptor alternative Ausprägungen formuliert, die zentrale Unsicherheiten zukünftiger Entwicklungen abbilden. Anschließend erfolgte im dritten Schritt eine systematische Bewertung der wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen diesen Deskriptor-Ausprägungen in Form einer Cross-Impact-Matrix. Hierzu wurde für jede mögliche Kombination die Stärke des Einflusses auf einer Skala von –3 (stark hemmend) bis +3 (stark fördernd) eingeschätzt und in einem Workshop gemeinsam validiert.

Im vierten Schritt wurden mithilfe der Software ScenarioWizard (Version 4.3) konsistente Kombinationen der Deskriptor-Ausprägungen berechnet. Das CIB-Verfahren (Cross Impact Balance) analysiert dabei, ob sich die Kombinationen, also förderliche und hemmende Wirkungen zwischen den Deskriptoren, in einem konsistenten Gesamtbild ergänzen. Auf Basis der Durchschnittsmatrix aller Expert*innen wurden zunächst redundante Szenarien aussortiert und durch weitere konsistente Varianten aus Einzelanalysen ergänzt. Das Ergebnis sind sechs narrative Kontextszenarien, die qualitative Beschreibungen gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen für mögliche Entwicklungen auf dem Weg zur Klimaneutralität liefern. Vier der Szenarien beschreiben unterschiedlichen suffzienzorientierte Zukünfte, die anderen zwei eher Green Growth orientierte Zukünfte.

Eine detaillierte Beschreibung der Methode sowie die Ausführung der Kontextszenarien in einem zugehörigen Fachartikel befinden sich noch in der Begutachtung (Manuskript erhältlich bei frauke.wiese@uni-flensburg.de). 

Modellierung von THG-Neutralitäts-Szenarien

Zur quantitativen Modellierung der THG-Neutraltitässzenarien wurden die zuvor entwickelten Kontextszenarien in konkrete Energieszenarien überführt. Dies erfolgte mithilfe des webbasierten Simulationstools 2050 Pathways Explorer (PWE Release v31.0, 11/04/2023) von CLIMACT, das vielfältige Einstellungsmöglichkeiten zur Abbildung sektorübergreifender Transformationspfade, vor allem auch auf der Nachfrageseite, detailliert bis auf Service Level bietet.

Die Übersetzung der qualitativen Narrative in quantitative Szenarien basiert auf einer angepassten Anwendung der Story-and-Simulation-Methode nach Alcamo (2008), bei der narrative Elemente systematisch in modellierbare Parameter überführt wurden. Die methodische Umsetzung, inklusive der strukturierten Zuordnung von Deskriptoren zu Modellparametern, sowie der Validierung durch Expert:innen, ist detailliert in der veröffentlichten Masterarbeit dokumentiert. 

Zusätzlich bietet die Arbeit eine detaillierte Analyse der THG-Emissionspfade sowie eine kritische Reflexion der sozio-ökologischen Implikationen der Szenarien. Sie zeigt auf, dass eine tiefgreifende Reduktion des Energiebedarfs eng mit systemischen Fragestellungen  verbunden ist und politische Rahmenbedingungen benötigt, die suffizienzorientierte Lebensstile und Infrastrukturen übergreifend und je Sektor im Detail fördern.

Ergebnisse & Empfehlungen

Die Modellierung zeigt, dass ambitionierte Suffizienzpfade grundsätzlich mit dem Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2050 vereinbar sind, sofern die zugrundeliegenden Annahmen zu gesellschaftlichem Wandel, technologischem Fortschritt und natürlichen Senkenpotenzialen realistisch und konsistent gewählt sind.

Gleichzeitig wird deutlich, dass sowohl das gewählte Modellierungswerkzeug als auch die Art der Übersetzung qualitativer Annahmen in quantitative Parameter die Ergebnisse maßgeblich beeinflussen. Ein abgestimmter, interdisziplinärer Modellierungsprozess kann hier wesentlich zur Konsistenz und Nachvollziehbarkeit beitragen.

Insgesamt lassen sich Parameter mit direktem Bezug zum Energiesystem, wie bspw. Domestic potentials of land for renewable energy production, vergleichsweise leicht aus den qualitativen Narrativen ableiten, während gesellschaftliche Entwicklungen mit voraussichtlich starken aber indirekten Bezug zum Energiesystem, wie Wealth distribution and property relationships, oder Resource availability, externalization and international distribution deutlich schwerer in bestehende Modellstrukturen integrierbar sind.

Die durchgeführte Übersetzungsarbeit zeigt, wo qualitative Annahmen bereits gut quantifizierbar sind und wo bestehende Modelle an ihre Grenzen stoßen. Daher sollte die Weiterentwicklung von Energiemodellen bzw. zusätzlichen Modellmodulen gezielt darauf ausgerichtet sein, gesellschaftliche Dynamiken, soziale Praktiken und strukturelle Veränderungen besser abzubilden. Qualitative Szenarien liefern wertvolle Erkenntnisse, auch wenn sie (noch) nicht vollständig quantifizierbar sind. Ziel sollte es nicht sein, diese Vielfalt zu reduzieren, sondern vielmehr die Quantifizierungsseite so weiterzuentwickeln, dass auch gesellschaftliche Entwicklungen mit starkem, aber indirekten Einfluss aufs Energiesystem integriert betrachtet werden können.

 

Energiesystemmodellierung 

Im dritten Schritt der Methodenkette wurde eine detaillierte Energiesystemmodellierung durchgeführt, die auf einer sektorübergreifenden Optimierung mit hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung basiert. Ziel war es, die energie- und infrastrukturbezogenen Auswirkungen der zuvor simulierten Szenarien zu analysieren und daraus systemische Anforderungen und Zielkonflikte abzuleiten.

Dafür wurde das open-source Modell PyPSA-Eur eingesetzt, ein sektor-gekoppeltes Energiesystemmodell, das die Sektoren Strom, Wärme, Mobilität und Industrie integriert und sowohl Strom- als auch Gas- bzw. Wasserstoffnetz abbildet. Für unsere Anwendung stand Deutschland mit hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung im Fokus, unter Berücksichtigung der Entwicklung in den Nachbarländern. Die Höhe der Nachfrage wurde aus den Ergebnissen des 2050 Pathways Explorer (PWE) übernommen und entsprechend der Datenstruktur von PyPSA-Eur angepasst. Wo direkte Datenübertragungen nicht möglich waren, wurden Skalierungsfaktoren verwendet, um die Konsistenz sicherzustellen. Ein dazugehöriger wissenschaftlicher Artikel, mit detaillierten Ergebnissen und Methodik, findet sich noch im Peer-Review und wird bei Veröffentlichung verlinkt.

Ergebnisse & Empfehlungen 

Von den Deskriptoren der in EnSu entwickelten sozio-technischen Szenarien konnten Nachfrage nach Energiedienstleistungen, inländisches Flächenpotenzial für die Erzeugung erneuerbarer Energie, Technische Entwicklung und Geschwindigkeit der Technologieumsetzung direkt in die Modellierungssprache des alle Sektoren umfassenden Tools übersetzt werden. Andere Deskriptoren verschiedener Zukünfte wie Individualisierung, Prioritätensetzung für Klimaschutz und planetare Grenzen, Verteilung und Verfügbarkeit von Ressourcen, Wachstumsunabhängigkeit und Wohlstandsverteilung und Wohn- und Versorgungsstruktur flossen in den vorgeschalteten Schritt der sektoralen Simulation der Nachfrage ein.

Der Szenarienvergleich zeigt, dass ein reduzierter Endenergieverbrauch eine Dekarbonisierung mit geringeren Systemkosten und geringeren Kapazitäten erneuerbarer Energien erreichen kann, die Reduktion allerdings nicht proportional ist, u.a. durch grundsätzliche Infrastrukturerfordernisse.

Der Vergleich der suffizienz-orientierten Szenarien zu anderen verfügbaren Dekarbonisierungsszenarien mit und ohne Suffizienz zeigt, dass eine Reduktion des Endenergiebedarfes durch Effizienz und Suffizienz insgesamt den Druck in den Bereichen Biomasseverwendung, Wind- \& Solar-Ausbau, Importe von Energieträgern von inner- und außerhalb der EU deutlich reduziert, die Bedarfe in manchen Bereichen jedoch auch bei Suffizienzszenarien ähnlich hoch sein können, je nach Fokus des Szenarios (z.B. sehr wenig Biomasse erhöht die Importbedarfe von Energieträgern auch in Suffizienzszenarien).

Der Vergleich der modellierten EnSu-Szenarien mit anderen suffizienz-orientierten Szenarien zeigt, dass Suffizienzszenarien die Spannbreite des Optionsraumes der Dekarbonisierung nicht nur erhöhen, sondern dass es auch innerhalb von suffizienz-orientierten Szenarien eine große Spannbreite an Energiesystementwicklungen gibt, je nachdem, wie ausgeprägt die Reduktion der sektoralen Energieservice-Indikatoren ist und wie die Kombination mit den anderen Parametern Import und Biomasse betroffen ist.

Datenbank: Politikinstrumente

Seit Beginn der EnSu-Gruppe im Jahr 2020 haben wir Politikinstrumente aus vielen verschiedenen Quellen zusammengetragen, die Suffizienz befördern. Daraus entstand die EnSu Suffizienz-Politik-Datenbank, die kontinuierlich erweitert wird. Jährliche Zwischenstände finden sich bei Zenodo. Ein Forschungsartikel zur Entwicklung und zum Aufbau der Datenbank ist hier zu finden (Best et al. 2022).

Aktuell enthält die Datenbank mehr als 350 Einträge und zeigt damit, dass Suffizienz keine individuelle Entscheidung ist, sondern politisch in vielfältiger Weise und mit ganz unterschiedlichen Instrumententypen gefördert werden kann. Rahmenbedingungen wie Infrastrukturen oder (finanzielle oder andere) Anreize tragen maßgeblich dazu bei, dass sich Menschen suffizient verhalten. Die Politikvorschläge, die in der Literatur dazu zu finden sind, haben wir in der Datenbank zusammengetragen – eine erste umfassende Sammlung zu diesem Thema. 

Eine kleine grafische Auswertung ist unter der Datenbank auf unserer Webseite zu finden. 

Die Einträge sind geclustert nach Sektor – Ziel / Politische Strategie – Maßnahme / Aktivität. Zu jedem Eintrag gibt es außerdem den Suffizienztyp und Instrumententyp des Politikinstruments und zu vielen Einträgen noch eine grobe Abschätzung der Dauer zwischen Implementierung und Wirkung.

Ergebnisse & Empfehlungen

Die EnSu Suffizienz-Politik-Datenbank ist direkt auf unserer Webseite zu finden, inkl. vielen Zusatzinformationen wie Einsparpotenzialen oder Umsetzungsbeispielen. 

Verkehrsmodellierung

Einer der beiden Nachfragesektoren, die im Rahmen von EnSu detaillierter untersucht und modelliert wurden, ist der Mobilitätssektor. In enger Zusammenarbeit mit dem Reiner Lemoine Institut (RLI) kam hierfür das makroskopische Verkehrsmodell quetzal_germany zum Einsatz. Der zentrale Beitrag und Ansatz besteht in der Entwicklung von “Politikszenarien”. Im Gegensatz zu klassischen, annahmenbasierten Szenarien, bei denen politische Rahmenbedingungen nachträglich interpretiert werden, wurden Maßnahmen explizit über Wirkketten im Verkehrsmodell abgebildet und deren Effekte direkt modelliert (siehe Fachartikel).

Eine empirische Analyse der Erklärungsfaktoren für PKW-Besitz in Deutschland war zusätzlich die Basis für die Integration von endogen modelliertem Autobesitz im genutzten Verkehrsmodell.

In einem zweiten Forschungsstrang wurden unter Leitung des RLI die Auswirkungen eines veränderten Verkehrssystems auf das gesamte Energiesystem untersucht. Hierfür wurden bestehende Szenarien zu Avoid/Shift/Improve genutzt und das Modell quetzal_germany mit dem Energiesystemmodell AnyMod verknüpft. Dazu wurden auch PKW-Flotten explizit modelliert. Der Fachartikel zeigt gesamtsystemische Effekte.

Ergebnisse & Empfehlungen

Die detaillierte Modellierung einzelner politischer Maßnahmen, auch in Abhängigkeit ihrer Stringenz, erlaubt die Simulation von Einzelmaßnahmen und deren Kombination zu Politikszenarien. Im beispielhaften modellierten Fall des Szenarios im Fachartikel für 2035 konnten durch die Summe der Maßnahmen die insgesamte Personenverkehrsleistung um ca. 30% reduziert werden, insbesondere der motorisierte Individualverkehr, während die öffentlichen Verkehre anstiegen und so einen mode shift bewirken.

Während die Emissionen des Verkehrssektors durch elektrische Antriebe bis zum Szenariojahr 2035 modell-exogen bereits um ca. 30% sanken, trägt die reduzierte Verkehrsleistung und veränderte Moduswahl entsprechend zu zusätzlichen Einsparungen bei. Das Modell erlaubt zusätzlich die Darstellung räumlich aufgelöster Effekte.

Der Ansatz zeigt, dass es möglich ist, explizit Politikmaßnahmen zu modellieren und entsprechend Szenarien zu entwickeln, die mögliche Entwicklungspfade in Abhängigkeit von politischen Rahmenbedingungen zeigen. Das Vorgehen ist für politische Entscheidungsträger eine erhebliche Verbesserung: bestehende Szenarien nehmen meist bestimmte Entwicklungen von Parametern an, die jedoch nur unter bestimmten politischen Rahmenbedingungen realistisch sind – während die Rahmenbedingungen selbst häufig nicht spezifiziert werden. Um informierte Politikentscheidungen treffen zu können, ist ein solcher policy-basierter Modellierungsansatz hilfreich.

Abbildung 1: Ergebnisse der Policy-Modellierung für Verkehrsleistung nach Personenkilometer (pkm).

Abbildung 2: Ergebnisse der Policy-Modellierung für Verkehrsleistung für Personenkilometer (pkm) pro Kopf von PKW (links) und Bahn (rechts)


Die zweite Analyse befasst sich mit bestehenden Avoid-/Shift-/Improve-Szenarien und deren Auswirkungen auf das Energiesystem. Die gekoppelte Modellierung von Verkehrssimulation und Energiesystemoptimierung zeigt, dass insbesondere das Vermeidungs-Szenario – sowie dessen Kombination mit Maßnahmen zur Verlagerung und Effizienzsteigerung (Avoid + Shift + Improve) – den geringsten Ausbaubedarf an erneuerbaren Erzeugungskapazitäten und Speichertechnologien aufweist. Infolgedessen sind auch die Gesamtsystemkosten in diesen Szenarien am niedrigsten.

Abbildung 3: Szenariokosten nach Komponenten.Den größten Anteil an den Gesamtkosten machen private Fahrzeugbestände aus, insbesondere in den Improve-Szenarien. Shift– und Avoid-Szenarien verursachen zusätzliche Infrastrukturkosten für öffentlichen Verkehr und gemeinschaftliches Wohnen (z. B. Mehrfamilienhäuser, Versorgungsstrukturen), wodurch die Gesamtkosten ohne private Fahrzeuge das Referenzszenario übersteigen können. Die Kosten des Energiesystems sinken entlang der Verkehrsangebotsachse (vertikal) stärker als entlang der Verkehrsnachfrageachse (horizontal), insbesondere durch einen geringeren Bedarf an Power to Liquid-Anlagen und entsprechender erneuerbarer Stromerzeugung.

Modellierung der Gebäudebelegung (INHABIT)

Ein weiterer Nachfragesektor, der im Rahmen von EnSu modelliert wurde, ist der Gebäudesektor. Historisch nimmt die Wohnfläche weiterhin zu, was vor allem auf die aus vielfältigen Gründen steigende durchschnittliche Pro-Kopf-Fläche zurückzuführen ist. Da die Wohnfläche im Winter beheizt und im Sommer teilweise gekühlt werden muss und neue Gebäude erhebliche Ressourcen erfordern, müssten Szenarien für einen nachhaltigen Wandel des Gebäudebestands Faktoren, die die Wohnfläche beeinflussen, endogen berücksichtigen. Bestehende Modelle für den Gebäudebestand behandeln jedoch typischerweise die Entwicklung des Wohnraums als exogenen Input (absolut oder pro Kopf), und die Modellierung der Belegung des Gebäudebestands – d.h. wie sich die Bevölkerung auf die bestehenden Wohnungen verteilt – ist eine offene Forschungslücke.

Wir entwickeln ein makroskopisches Belegungsmodell für Wohngebäude unter Verwendung von Daten aus dem Sozio-ökonomischen Panel (G-SOEP). Unser Modell bildet die Verteilung der deutschen Bevölkerung auf den Wohnungsbestand ab und simuliert das Umzugsverhalten über die Zeit, einschließlich der Auswirkungen von politischen Interventionen und differenziert dabei nach soziodemografischen und -ökonomischen Haushaltsklassen (Alter, Anzahl Personen, HH-Typ, Einkommen) sowie Gebäudeeigenschaften (Typ, Zimmerzahl, Urbanisierung, Sanierungszustand). Wir analysieren verschiedene Szenarien und gewinnen so Erkenntnisse zu Strukturen und Veränderungsmuster von Unter- und Überbelegung.

Das Modell befindet sich aktuell noch in der Entwicklungsphase, ist jedoch kontinuierlich quelloffen auf GitLab verfügbar. Eine erste Modellbeschreibung ist in unserem ECEEE-Konferenzbeitrag enthalten, aktuell ist ein Fachartikel in der Begutachtung (Manuskript erhältlich bei johannes.thema@wupperinst.org). 

Ergebnisse & Empfehlungen

Das INHABIT-Modell erlaubt die Projektion von hochaufgelösten Matrizen, die die Belegung des Gebäudebestands abbilden. Aus diesen lässt sich bspw. die durchschnittliche Zimmerzahl nach Haushalts- oder Gebäudemerkmalen auswerten.

Abbildung 1: Durchschnittliche Zimmerzahl in Mehrfamilienhäusern (MFH) und Einfamilienhäusern (SFH) in einem beispielhaften default-Szenario und einem Reduktions-Szenario (red_UO).

Mit dem Simulationsansatz lässt sich analysieren, in welchem Ausmaß Wohnungen unter- oder überbelegt sind – basierend auf der Relation zwischen Haushaltsgröße und Zimmerzahl. Zudem können Projektionen zur zukünftigen Wohnraumnutzung erstellt und die Auswirkungen unterschiedlicher Maßnahmen auf die Belegungsmuster untersucht werden. Die Grafik zeigt beispielhaft, dass die Unterbelegung im Default-Szenario insbesondere bei älteren Haushalten stark ausgeprägt ist und sich mit der Zeit weiter verstärkt. In einem alternativen Maßnahmenszenario hingegen könnte eine Annäherung der Belegungsmuster erfolgen. Darüber hinaus ermöglicht der Ansatz auch eine differenzierte Analyse der Verteilungen hinter den Durchschnittswerten.

Abbildung 2: Modellierte Belegung für Haushalte über/unter 55 Jahren. Entwicklung des Durchschnitts über Zeit (links) und Verteilung (rechts). Indikator: Anzahl Zimmer – Anzahl Personen je Haushalt.