In Politik und Wissenschaft werden vermehrt Diskussionen zu Energiesuffizienz geführt. Dabei sind uns starke Argumente begegnet. Die aus unserer Sicht gewichtigsten Gegenargumente – und unsere Antworten darauf – haben wir im Folgenden zusammengestellt.

Suffizienzpolitik bedeutet in der Praxis, Menschen durch Verbote dazu zu zwingen, auf bestimmte Formen des Konsums zu verzichten.

Gegenargument: Wie jede andere politische Maßnahme ermöglichen, erschweren oder verhindern suffizienzpolitische Maßnahmen gewisse Alltagspraktiken. Rahmenbedingungen, wie kulturelle Leitbilder, Infrastrukturen oder Gesetze regulieren bereits heute unser Handeln. Suffizienzpolitische Rahmenbedingungen können umweltfreundliches Verhalten ermöglichen und damit die Ausbeutung von Natur reduzieren und die Lebensqualität für viele Menschen sicherstellen. Selbst wenn Suffizienzpolitik teilweise Konsumfreiheit einschränkt, kann sie damit die Freiheit vieler Menschen erhöhen, da sie auf eine gerechtere Verteilung von Ressourcen abzielt.  

Detaillierte Argumentation

Gegenwärtige sozial-ökologische Krisen lassen sich technisch lösen. Ein neues Smart-Home Passivhaus ist einfach cooler als eine kleine Etagenwohnung.

Gegenargument: Zur Bekämpfung der Klimakrise sind technische Lösungen wie der Ausbau der erneuerbaren Energien notwendig, reichen jedoch alleine nicht aus. Es ist unabdingbar, den Energieverbrauch sowohl durch Effizienz- als auch durch Suffizienzstrategien zu reduzieren. Gelingt dies nicht, muss der Zubau an EE-Anlagen extrem hoch sein oder wir begeben uns in (neue) Abhängigkeitsverhältnisse beim Import von Energie. Weitet man den Blick über die Klimakrise hinaus, wird die Bedeutung von Suffizienz noch klarer: Mit einem “Weiter-so” beim Verbrauch von Ressourcen, Land, Wasser etc. überschreiten wir planetare Obergrenzen, während wir gleichzeitig die Erreichung globaler sozialer Mindeststandards gefährden. Es geht also nicht darum, welche Option attraktiver ist. Es geht darum, mit welcher Kombination von Optionen wir die diversen Ziele am sichersten erreichen.

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Wenn Suffizienz einen grundlegenden Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft in  vielen Bereichen bedeutet, brauchen wir für sie mehr Zeit als uns bleibt, um uns zu retten. Wir haben keine Zeit für einen grundlegenden Wandel.

Gegenargument: Die Klimakrise ist gegenwärtig und führt zu einem tiefgreifenden und existenzbedrohenden Umbruch. Um Klimaziele zu erreichen, sind ein grundlegender und langfristig gestalteter Wandel und damit verbundene Investitionen so oder so notwendig. Eine suffizienzorientierte Transformation senkt den Druck auf technische Lösungen, reduziert gleichzeitig den Ressourcenverbrauch und rückt damit das Einhalten von Klimazielen und ein gutes Leben für alle überhaupt erst in den Möglichkeitsraum. Kurz: Auch ohne Suffizienz ist ein grundlegender Wandel absehbar, dann aber durch Katastrophen und nicht durch aktives Gestalten. 

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Suffizienz führt zum Kollaps von Wirtschafts- und Sozialsystemen.  Effektive Suffizienzpolitik führt dazu, dass viele Menschen ihre Arbeit verlieren und das ganze Wirtschaftssystem zusammenbricht.

Gegenargument: Wichtige Systeme unserer Gesellschaft sind vom Wachstum abhängig. Verschiedene Krisen, inklusive der dramatischen Folgen der Klimakrise, bedrohen das wirtschaftliche Wachstum und damit den Arbeitsmarkt, Wirtschafts- und Finanzsystem sowie Staatsfinanzen und Sozialsysteme. Es ist daher höchste Zeit, die Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft zu erhöhen, indem diese Teilsysteme von Wachstum unabhängig werden. Suffizienzpolitik kann auch zu reduziertem Wirtschaftswachstum führen, ist aber nicht gleichbedeutend mit Mangel und Verlust. Denn Suffizienzpolitik ist dabei Teil einer vorsorgenden Politik, die sich den Herausforderungen heutiger und kommender Krisen stellt und proaktive Antworten auf diese sucht. 

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Suffizienz ist als Instrument politisch unbrauchbar und wird deshalb immer eine Nischenoption und individuelle Entscheidung bleiben.

Gegenargument: Es stimmt: Energiesuffizienz kann für politische Entscheidungsträger*innen ein schwieriges Thema sein. Das liegt an dem Missverständnis, dass Suffizienzpolitik zu stark in die Privatsphäre der Menschen eingreifen würde. Wie wir uns verhalten, wird aber sowieso stark von politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen beeinflusst. Suffizienzpolitik bedeutet, diese Rahmenbedingungen so zu ändern, dass die umweltfreundlichere und energiesparende Verhaltensweise die attraktive ist. Suffizienzpolitik als politisches Instrument ist aktueller und brauchbarer denn je.

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